Robyn Schmidt & Lovis Krüger wandern entlang der Mittelmeerküste durch Europa und berichten darüber. Das ist unser Weg.

Dominic Baldzikowski am 27. Aug 2015, 0 Comments
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Mittlerweile haben wir den Nordwesten Griechenlands erreicht. Seit nun fast zwei Wochen sind wir unterwegs. Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen.

Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern an dem Lovis ankam und mir seine und Robyns Idee erzählte. Sie war recht simpel. Wir würden durch Europa laufen, von Athen nach Gibraltar, und über unsere Reise schreiben, Fotos machen, unsere Erfahrungen und Geschichten mit der Welt teilen. Und das für so ungefähr ein halbes Jahr. Für einen 21 jährigen, unzufriedenen Studenten ist dieser Vorstellung nur schwer zu widerstehen. Man hat nicht viel zu verlieren (zumindest nicht wenn man mit dieser Unsterblichkeitsattitüde der Jugend herangeht) und jede Menge zu gewinnen. Zu allererst unvergessliche Lebenserfahrungen und Geschichten, die man noch seinen Großenkeln eines Tages erzählen wird. Dann, wenn man alt ist und auf die Abenteuer des Lebens zurückblickt. Die Idee eines Abenteuers, das mich und meinen Charakter prägen, gar formen würde, eines Abenteuers, das das Potenzial hat mein zukünftiges Leben nachhaltig zu verändern, ließ mich nicht lange fackeln.

Ich glaube jeder von uns hat seine eigenen Gründe hier zu sein, irgendwo im Nordwesten Griechenlands mit 20 Kilo Rucksäcken und nicht der geringsten Ahnung, was der nächste Tag uns bringen wird. Und doch teilen wir alle diesen Willen, die Welt auf für uns neue Arten und Weisen zu entdecken, die Geschichten, nach denen wir uns alle sehnen, zu finden und zu leben. Als das Flugzeug nach Athen langsam die Landebahn gen Himmel verließ, wusste ich nicht, wie ich mich fühlen sollte. Klar, so Einiges kann auf meine ungeheure Flugangst zurückgeführt werden, aber das reicht nicht aus. Es war diese Ungewissheit, die pure Ahnungslosigkeit dessen was uns erwarten würde (etwas, das sich bis heute nicht wirklich verändert hat).
Man kann sich vorbereiten so viel man will, wenn der Tag kommt, nützt das alles wenig. Keiner von uns war je zuvor in Griechenland gewesen, auch wenn es schwer war Geschichten über das Land zu vermeiden. Die Krise hatte die Berichterstattung der letzten Monate dominiert und damit auch unser vorheriges Bild beeinflusst.

Eine Sache, die man schnell während des Reisens feststellt, ist die ständige Unzufriedenheit (zumindest zu einem gewissen Grad), die Einen verfolgt. Nicht weil man nicht wertvolle Erfahrungen sammelt und Dinge sieht, die man vorher überhaupt nicht kannte, mit Leuten aus der ganzen Welt ins Gespräch kommt. Nein, eine Unzufriedenheit, die aus der Erkenntniss rührt, dass man zwar viel eines Ortes gesehen hat, aber immernoch nicht die geringste Ahnung hat, wie das Leben dort ist. Man kommt zu der Schlussfolgerung, dass man Jahre in einer Stadt verbringen müsste, um ihre Essenz so einigermaßen zu begreifen und selbst dann wäre dies eine unmögliche Aufgabe. Doch so ganz hiflos sind wir nicht, Wir können unsere Erlebnisse, dass was wir gesehen und erfahren haben, reflektieren. Wir können unser vorheriges Wissen nutzen, um Dinge in einen größeren Kontext zu setzen und wir können die restlichen Löcher mit mehr oder weniger fundierten Vermutungen füllen. Schlußendlich können wir uns eingestehen, dass wir nur sehr wenig wissen. Doch ist es nicht die Summe Millionen kleiner Geschichten, die am Ende so etwas wie eine Kultur entstehen lässt? Geschichten, die alle mehr oder weniger miteinander verbunden sind?

Wir haben nicht viel von Athen gesehen. Genauso, wie wir nicht viel von Salamina entdeckt haben, die Insel die wir auf unserem Weg nach Korinth durchquerten. Aber wir sind durch das Viertel Omonia, im Zentrum Athens, gelaufen. Wir haben mit einigen Menschen geredet, wie dem Besitzer unseres Hostels, und mit Anderen haben wir interagiert, in den Läden in die wir gingen und durch die Gesten, die wir austauschten.
Und durch all diese Interaktionen bekamen wir einen kleinen Schimmer, ein Kratzer an der Oberflächer, von Athen und der Gegend in der wir schliefen. Man sagte uns, die Stadt hätte ihre Seele verloren und man glaubte diesem Narrativ während man neben halbleeren, heruntergekommenen Gebäuden stand und durch Straßen voller vom Leben gezeichneten Gesichter wanderte. Trotzdem werden wir nie wissen, wie Athen vorher war.

Wir lernten auch recht schnell, wie stark die Verbindungen vieler Menschen nach Deutschland waren. Und damit meine ich nicht, die Skepsis dem Land gegenüber, die wir vorher aufgrund der momentanen Situation erwartet haben. Viele Leute mit denen wir redeten hatten Bekannte, die in Deutschland leben und arbeiten und Einige taten dies selber oder hatten Pläne es zu tun. Tatsächlich war Eines der Dinge, die ich gerlent habe, wie klar die Menschen, mit denen wir redeten ihre Gefühle gegenüber der deutschen Politik und ihre Gefühle gegenüber den Menschen, die vor ihnen standen, trennen konnten. Etwas das viele Leute zu Hause in Deutschland noch lernen müssen. Und wie überall in dieser Welt erlebten wir, wie unterschiedlich Perspektiven sein können und wie heterogen das Leben der Menschen an ein und dem selben Ort sein kann.

Auf der Insel Salamina hatten wir das große Glück, die Nacht mit einem zuvorkommenden Mann und seinem Großvater zu verbringen. Ein 84 jähriger Fischer, der uns Geschichten aus den Zeiten der deutschen Besetzungsmacht erzählen konnte, genauso wie Geschichten abenteuerlicher Seefahrten, wie wir sie sonst nur aus Büchern kennen. Wir erlebten eine Atmosphäre, die sich stark von der in Athen unterschied, auch wenn wir nur wenige Kilometer hinter uns gelassen hatten. Schließlich stießen wir auf die Herausforderungen des Reisens ohne wirklich zu wissen, was man macht, als wir die industriellen Gebiete Megaras und Istmias durchliefen, ständig gefolgt von dem bedrückenden Heulen der Hunde und dem schaurigen Schimmer der roten Abendsonne, während die Nacht sich langsam über uns legte.

Unsere Geschichte wird jeden Tag geschrieben und wir schreiben sie.

Wir sind erst seit etwas mehr als einer Woche unterwegs. Nichts im Vergleich zu der langen Reise, die uns noch erwartet. Wir sind noch nicht die weisen Männer, die wir erhoffen in Gibraltar zu sein. Unsere Bärte sind noch bemitleidenswert, unsere Erfahrungen noch wenige, unsere Geschichten klein. Aber in unserem Herzen wissen wir, dass das Kleine das Große groß macht. Und das Große kommt.

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