Robyn Schmidt & Lovis Krüger wandern entlang der Mittelmeerküste durch Europa und berichten darüber. Das ist unser Weg.

Lovis Krüger am 19. Jun 2016, 0 Comments
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Es riecht nach Heldentaten, Niederlagen und verschwitzten Textilien in der Kabine von Nada Split. Baseballschläger, Handschuhe und Bierflaschen liegen wild auf dem Boden verstreut. Es sind Überbleibsel aus der vergangenen Woche, als das Baseballteam von der kroatischen Küste das nationale Finale gegen den Erzrivalen Olimpija Karlovac verloren hat. Jetzt ist die Kabine erst mal verlassen, die Spieler trauern noch statt zu trainieren. Split ist die Stadt der Sportverrückten. Dort brechen schon mal Proteste aus, wenn die Hooligans vom lokalen Fußballklub Hajduk Split Stadionverbot haben. Im vergangenen Jahr sind deswegen 20 000 Sportverrückte auf die Straße gegangen und haben vor dem Rathaus gegen den kroatischen Fußballverband protestiert. Mit bengalischen Feuern bewaffnet, standen sie am Meer und machten ihrem Frust freien Lauf. Fußball ist die Lieblingssportart der Sportfanatiker aus Split, aber es ist nicht ihre einzige Leidenschaft.

Baseball ist eigentlich eine typisch amerikanische Sportart. Wie hat sie es bis an die Adria geschafft? Nach dem ersten Weltkrieg liegen amerikanische Schiffe mit ihrer Crew im Hafen von Split. Sie sind dort, um die noch angespannte Situation zwischen Italien und Jugoslawien zu entschärfen. Das ist nicht immer spannend. Also vertreiben sich die Soldaten die Zeit mit Baseball. Als sie irgendwann wieder in Richtung Heimat aufbrechen, bieten die Kinder der Stadt an, die Baseball-Ausrüstung für sie zum Schiff zu tragen. Aber auf dem Weg zum Hafen verschwinden die Kinder mitsamt der Ausrüstung in den verwinkelten Gassen der Stadt – so die Legende. Die Baseballschläger bleiben in Split. Der Sport ist ab jetzt auch dort zuhause.

1974 wird dann BK Nada Split offiziell gegründet. Er ist der erste Baseballklub in Ost-Europa. Später helfen sie Donat Zadar bei der Gründung. Erst in den neunziger Jahren gibt es eine Kroatische Meisterschaft, die allerdings direkt wieder ausgesetzt wird, weil der Sport während der Jugoslawienkriege in den Hintergrund gerät.

Nada Split ist nicht nur der älteste, sondern auch der erfolgreichste Baseballklub in Kroatien. Weil er so alt ist, ist er auch international gut vernetzt. Nada Split spielt nationale und internationale Turniere in ganz Europa. Die Spieler sind jedoch bei weitem keine Profis. Deshalb müssen sie Auswärtsfahrten von 800 Kilometern auch mal im Pkw über sich ergehen lassen. Darüber kann Matthew Susac eine Geschichte erzählen. Der US-Amerikaner hat seine Wurzeln in der Küstenstadt und einige seiner Freunde spielen für Nada. Wenn er in seinen Sommerferien Split besucht, hilft er deshalb auch gerne mal bei Nada aus. Als er 2012 an die Adria fliegt, steigt er direkt am nächsten Morgen in ein Auto seiner Teamkollegen und fährt mit ihnen nach Bulgarien, um dort zu spielen. Was er noch nicht weiß: die Route führt durch den Kosovo. Das Team verfährt sich in der angespannten Region und sie müssen nach dem Weg fragen. „Ein alter Mann zeigt uns den Weg aber er rät uns auch nachdrücklich, dass wir auf keinen Fall wieder anhalten sollen“, sagt Susac. Zu unsicher ist das Gebiet. Letztendlich schaffen es aber alle Spieler heil bis nach Bulgarien. Für die Spieler von Nada, die nicht in ihren Ferien aus den USA anreisen, bereiten solch lange Auswärtsfahrten auch noch ganz andere Probleme. Irgendwie müssen sie die langen Touren mit dem Vollzeitjob vereinbaren. „Das hängt einfach vom Willen ab“, sagt der Generalsekretär des Vereins, Sergije Vujnović. „Wenn Du spielen willst, scheiß drauf, dann sagst du einfach, dass du krank bist.“

Die Spieler sind da eher zurückhaltend. Ganz so offen wollen sie nicht zugeben, ihren Chef anzulügen. Klar ist aber: Wer in Split Baseball spielen möchte, muss für den Sport brennen. Die meisten Spieler mussten sich früher erst leidenschaftlich gegen ihre Eltern durchsetzen, um Baseball spielen zu dürfen. „Schulkindern macht das Baseball Spielen Spaß“, sagt der Second Baseman Josip Pribilović. „Aber die Väter wollen meistens nicht, dass sie bei uns im Verein spielen.“ Denn Fußball ist in Split Religion und die meisten träumen davon, ihre Kinder später bei Hajduk und nicht bei Nada Split spielen zu sehen. Das Stadion vom Baseballverein steht dafür, dass das Team in der Stadt definitiv nicht mit Hajduk konkurrieren kann. Das Spielfeld teilt sich Nada mit dem städtischen Rugbyteam. Bei Spielen vor der kleinen Zuschauertribüne müssen die Spieler von Nada das Feld immer erst selbst herrichten. Sie ziehen die Linien und der Hügel, von dem aus der Pitcher wirft, besteht aus mehreren schweren Metallteilen, die zusammen eine künstliche Rampe bilden. Die müssen sie vor dem Spiel aus dem Vereinsheim aufs Feld schleppen und hinterher wieder wegräumen. Einen großen Vorteil hat das Stadion aber: Es liegt schön zentral in Split. Allerdings haben deswegen auch schon Investoren einen Blick auf das wertvolle Land nahe der historischen Altstadt geworfen. Vielleicht zu wertvoll für ein Baseballstadion. Je nachdem wie die Stadt entscheidet, muss Nada Split also bald umziehen. Neben dem Stadion steht das Vereinsheim mit den Kabinen und dem Zimmer von Vereinssekretär Mislav Alilović. In seinem Kämmerchen über dem Spielfeld stapeln sich Bierflaschen vor einer Playstation. Er ist ganz offiziell dafür zuständig, die Ergebnisse von Nada zu notieren. Er macht das aus Leidenschaft, nicht weil er dadurch reich wird. Alle bei Nada Split wissen, dass auf sie nicht das große Geld wartet. Sie engagieren sich aus Liebe zum Baseball für ihren Verein. Und vielleicht auch ein bisschen aus Liebe zur Vereinskneipe gleich hinter der Umkleidekabine, in der es nach verschwitzten Textilien, Niederlagen und Heldentaten riecht.

Korrektur: In einer älteren Version des Artikels schrieb ich, dass der Erzrivale von Nada Split Donat Zadar sei. Das stimmt nicht. Es ist Olimpija Karlovac.

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