Es ist Frühling im Jahr 1992 und Dubrovnik brennt. Artilleriefeuer prasselt auf die Stadt nieder, der Rauch der Flammen steigt zum Himmel empor. Unter der Erde, in Weinkellern und als Vorratskammern genutzten Höhlen unter den Gemäuern der Altstadt verstecken sich die Einwohner und hoffen, den Horror zu überstehen.
Christopher Long, ein britischer Journalist, ist bei ihnen. Er berichtet schon seit Monaten über den Balkan-Konflikt, war im vergangenen Jahr schon mal in Dubrovnik. Doch diesmal ist es schlimmer. “In den Höhlen war es stockdunkel, es gab keinen Strom und keine Taschenlampen”, erzählt er. “Ich weiß nicht genau wie viele Menschen mit im Weinkeller waren. Man konnte das Ende des Kellers nicht sehen.” An eine Sache erinnert er sich besonders gut. “Der Gestank im Keller, vor allem nach Urin.” Hauptsächlich Frauen und Kinder waren in dem Keller, die Männer mussten kämpfen. Die Mütter und Großmütter hatten Angst, fürchteten um das Leben der Kinder und ihr eigenes. “Die Kinder aber fragten mich aus, über Fußball und Hard Rock Cafés in England”, sagt Long. Diese vorgeschobene Normalität war wohl ihr Versuch, mit der Gefahr und der Angst fertig zu werden, vermutet er.
Im Oktober 2015 betrachtet Stephan, ehemaliger BWL-Student aus Düsseldorf, die Höhlen. Sie sind in dem Stein gehauen unter den Mauern der Festung Lovrijenac, die von einem Hügel vor den Toren der Altstadt auf die Bucht vor Dubrovnik hinabblickt. Doch er sieht nicht die Höhlen, in denen vor fast 25 Jahren hunderte Menschen versuchten, dem Tod zu entfliehen. Er sieht die Höhlen aus Staffel zwei, Episode eins, aus denen die Stadtwache von King’s Landing auf Geheiß von König Joffrey die unehelichen Söhne seines toten Vaters Robert wirft und anschließend im Wasser der Bucht ertränken. Nachdenklich betrachtet er die Höhlen und fragt dann den in Rüstung und weißen Umhang gekleideten Tourguide Philipp: “Wurden die extra für die Serie da reingemacht?”
Game of Thrones ist eine Hit-Fernsehserie aus den USA, basierend auf den Büchern von George R. R. Martin. Weltweit schaut ein Millionen Publikum die im fiktionalen Westeros spielende Serie, für die bisherigen fünf Staffeln hat sie insgesamt 26 Emmy Awards eingefahren. 2015 brach sie den Rekord für die Anzahl der in einem Jahr gewonnen Emmys. Die letzte Folge der fünften Staffel schauten alleine in den USA über acht Millionen Menschen im Fernsehen. Und die Szenen in King’s Landing, Hauptstadt von Westeros und Heimat zahlreicher Intrigen, werden seit der zweiten Staffel in Dubrovnik gedreht.
Dubrovnik hat eine lange, konfliktreichen Geschichte. Der jüngste Konflikt liegt erst knapp 25 Jahre zurück. Damals wurde die Stadt von der Jugoslawischen Volksarmee (JNA) belagert, nachdem die kroatische Bevölkerung zuvor im Jahr in einem Referendum für die Unabhängigkeit von Jugoslawien gestimmt hatte. Am ersten Oktober 1991 begann die Offensive der JNA mit Truppen, die aus Norden und Süden gegen Dubrovnik vorrückten. In der Stadt befanden sich zu der Zeit hauptsächlich Zivilisten, die wenigen Soldaten in der Region waren schlecht trainiert und ausgerüstet. Die JNA kappte die Wasser- und Stromversorgung Dubrovniks. “Die Menschen rochen alle ungewaschen, weil es kaum Wasser gab”, erzählt Christopher Long. “Es war sehr merkwürdig zu sehen, dass die Menschen in einer eigentlich so kultivierten Stadt so primitive Leben führen mussten.” Verpflegung, beispielsweise Frischwasser, kam nur mit Konvoischiffen, die durch die Hafenblockade gelassen wurden und in die Bucht von Dubrovnik einfahren durften.
In die selbe Bucht segeln auch die 200 Kriegsschiffe vom selbsternannten König Stannis Baratheon. Nur kennt er die Bucht als Blackwater Bay und mit Hilfsgütern kommt er bestimmt nicht. Er belässt es nicht bei einer Blockade des Hafens von King’s Landing wie die JNA, er will die Burg stürmen und König Joffrey stürzen. Und versagt. Seine Flotte wird mit Feuergeschossen beworfen und erliegt fast vollständig den Flammen. Rauch steigt aus Blackwater Bay zum Himmel empor. Nur ein paar wenige Angreifer schaffen es an Land und stehen vor den verschlossenen Toren der Burg.
“Für die Dreharbeiten wurden zum ersten Mal seit Jahrhunderten die Tore der Altstadt geschlossen”, sagt Tourguide Philipp als er durch die hohen Durchgänge schreitet. “Das war mitten in der Touristensaison und hat eine Menge Chaos ausgelöst.” Aber Game of Thrones darf das. Schließlich profitiert die Stadt von neuen Touristenströmen, die die Haupstadt von Westeros mal in echt sehen möchten. “Es gibt viele Game of Thrones Fans die nur kommen, um die Orte zu sehen, wo die Serie gefilmt wurde”, sagt Sandra Milovcevic vom Dubrovnik Tourist Board. Da wird bei der Produktion auch der ein oder andere Vertragsbruch verziehen. Die Altstadt von Dubrovnik ist ein UNESCO Weltkulturerbe. “Die Vereinbarung war, das nach den Dreharbeiten alles so aussehen muss wie vorher”, sagt Philipp. Er zeigt auf einen Kreuz aus schwarzem Tape auf dem Boden, das einen Kamerastandort markiert. “Das haben die hier vergessen abzumachen. Dafür könnten wir sie eigentlich verklagen”, sagt er. “Aber es ist gut, dass es hier ist, so habe ich was zu erzählen.”
Die Belagerung von Dubrovnik erwähnt er während der Führung nur in wenigen Nebensätzen. Am Ende des siebenmonatigen Konflikts, nachdem kroatische Truppen aus Zagreb Dubrovnik zu Hilfe kamen und die Belagerung auflösten, waren über 80 Zivilisten und mehr als 350 Soldaten gestorben. 16000 Menschen wurden zu Flüchtlingen. Die Schlacht um Blackwater Bay endet ebenfalls, als Verbündete Truppen vom in der Stadt sitzenden König Joffrey auftauchen und die Angreifer besiegen. Aber King’s Landing wird in einer Fantasiewelt belagert, wo sich Drachen und Untote herumtreiben. Dubrovniks Horror war allzu real.