Robyn Schmidt & Lovis Krüger wandern entlang der Mittelmeerküste durch Europa und berichten darüber. Das ist unser Weg.

Dominic Baldzikowski am 05. Aug 2015, 0 Comments
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Meine erste europäische Erfahrung, die ich klar einem größeren Konstrukt, sprich “Europa” oder der EU zuordnen kann, geht auf das Jahr 2002 zurück. Damals war ich noch ein recht kleiner, gieriger Junge. Und hatte, wie viele andere auch, ein Sparschwein, in das ich all das Geld, was ich so im Haus finden konnte, hineinwarf. Meine Eltern hatten mir das Schweinchen aus billigem, grünem Plastik geschenkt und ich liebte es, als wäre es mein Haustier. Bis zu diesem einen schicksalsschweren Tag.

Ich erinnere mich daran, wie ich mit meinen Eltern zur Bank ging. Der Euro war plötzlich da und wenn ich wollte, dass all mein eifrig zusammengespartes Geld seinen Wert behielt, dann musste ich mein geliebtes Schwein ausnehmen.

Ich erinnere mich daran, wie reich ich mich fühlte. Ganze 60 Euro hatte ich über die Jahre gesammelt! Wie das frische, neue Geld in meinen Augen glänzte. Ich erinnere mich an alte, miesgelaunte Menschen, die sich darüber aufregten, wie viel Geld sie verloren. Darüber wie ihr Erspartes durch zwei geteilt wurde, während die Preise gleich blieben. Ich erinnere mich daran, wie mein Vater meinte, wir müssten vorsichtiger mit unseren Ausgaben umgehen. Aber in diesem Moment, war mir das egal. Es war aufregend. Es war ein Schritt nach vorne (oder so hat man mir das zumindest in der Schule gesagt).

Es war ein Tag, der in die Geschichtsbücher eingehen würde. Und ich war ein Teil davon.

Das ist nun 13 Jahre her. Die kindliche Euphorie ist dem Zynismus eines jungen Erwachsenen gewichen. Ich habe mein Abitur absolviert, meine Heimatstadt Frankfurt (Oder) verlassen um Publizistik und Politikwissenschaft in der “Weltmetropole” Berlin zu studieren, bin politisch aktiv geworden und kam so irgendwann zu dem Ergebnis, dass die Welt den Bach runtergeht.

Da hilft ein einfacher Blick auf die großen politischen Ereignisse mit denen ich großgeworden bin:
Der 11. September, der Irak Krieg, die Weltwirtschaftskrise (das einzige Mal, dass ich meinen Großvater je fluchen gehört habe, war als Lehman Brothers pleite gegangen ist), die Eurokrise, wie Putin sich einfach die Krim geschnappt hat, der IS … die Liste könnte noch eine Weile so weitergehen. Um es mal auf den Punkt zu bringen: Die meisten glorreichen Momente der Menschheitsgeschichte habe ich durch Geschichtsbücher und Dokumentarfilme mitbekommen, statt sie selbst zu erleben.

Es ist schwierig, in einer Welt voller vermeintlich verlorener Kämpfe positiv zu sein.

Es ist schwierig, hoffnungsvoll zu bleiben, wenn die meisten Menschen, die ich kenne, sich mehr für das Feiern gehen interessieren als für den Kampf um ihre eigenen Rechte, die ihnen Tag für Tag genommen werden. Ich bin bereits in sehr jungem Alter verbittert geworden. Ich habe gelernt, den Kapitalismus und die Eliten dieser Welt zu verachten. Ich habe meinen naiven Optimismus und kindliche Unschuld verloren. Damals, als ich noch bereit war, mein geliebtes Schwein für ein bisschen Bargeld zu schlachten.
Aber ich habe nicht, und werde niemals, aufhören zu kämpfen, mich weiterzubilden und mich zu engagieren – weil ich noch Hoffnung habe. Seien meine Möglichkeiten auch noch so beschränkt.

Momentan sehe ich die Idee eines Europas der Solidarität, des friedlichen Zusammenlebens, gefährdet. Sie wird von einer neoliberalen Agenda beerdigt von der viele glauben, sie sei die einzige Möglichkeit. Ich werde durch Europa laufen, um ihnen das Gegenteil zu beweisen.

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